Das Koblenzer Entfestigungsamt widerspricht den festgelegten Ausführungsfristen
Gemäß Verfügung der I.M.K.K. sollten die Arbeiten des ersten Schleifungsabschnittes zum 10. März 1921, also etwa nach einem halben Jahr, abgeschlossen sein. Diese Frist sei, so das Koblenzer Entfestigungsamt, für die kleineren Werke wie die Rübenacher Schanze oder die Bubenheimer Flesche ausreichend, für die Feste Kaiser Franz allerdings zu kurz bemessen.
Die Einschätzung des Entfestigungsamts ist leider undatiert, ist in den Akten aber einem Schreiben der Reichsvermögensverwaltung Koblenz vom 2. Oktober zugeordnet. Der stellvertretende Leiter des Amts, Hauptmann a.D. Rabe, führt darin wie folgt aus:
„Das Kernwerk Kaiser Franz ist in ganz geringer Entfernung ringsum von bewohnten Bauten umgeben; sogar das Werkinnere ist mit Baracken bebaut, die von der amerikanischen Besatzung als Lager- und Ausbesserungsräume benutzt werden. Um diese nicht zu gefährden, können die zu zerstörenden Teile nicht mit vollen, sondern nur mit ganz erheblich herabgesetzten Pulverladungen gesprengt werden, die lediglich eine Erschütterung des Mauerwerks herbeiführen und ein leichtes Abbrechen mit der Hand gestatten. Diese Arbeit ist sehr langwierig und zeitraubend und erfordert die größte Umsicht. Andererseits ist auch eine Anhäufung von Arbeitskräften wegen der schwierigen Unterbringungsverhältnisse nicht möglich. Es ist daher nicht [zwei Wörter unleserlich] 20 000 cbm umbauten Raumes von Mauerwerk in dieser kurzen Zeit zu zerstören.“
Ein weiteres Argument Rabes für eine Verlängerung der Frist bezieht sich auf den Umstand, dass seit der Anordung bereits drei Wochen ohne nennenswerte Arbeiten verstrichen waren und noch weitere Wochen wegen der notwendigen Verdingung der Maßnahmen verstreichen würden, sodass diese Wochen für die wie dargelegt aufwändigen Abbrucharbeiten fehlen würden. Da er einen Ausführungszeitraum von etwa acht Monaten veranschlagte, schlug Rabe daher eine Fristverlängerung bis zum 10. Juli 1921 vor.(1)
Am 15. Oktober informierte die Reichsvermögensverwaltung Koblenz das Reichsschatzministerium in Berlin über diese Bedenken. Ergänzend fügte die Behörde noch hinzu: „Die bevorstehende nasse Jahreszeit und der Winter werden die Förderung der Arbeiten auch sehr beeinträchtigen, sodaß die Einhaltung des Termins – 10.3.21 bei allen Entfestigungsämtern ausgeschlossen ist.„
Als zusätzliches Argument führte die Reichsvermögensverwaltung die durch die Einquartierungen in Koblenz sehr angespannte Wohnraumsituation an, die eine Unterbringung der Arbeiter vor Ort oder an anderer Stelle in der Stadt zusätzlich erschweren würde: „Die Anstellung großer Arbeitermassen ist auf der örtlich beschränkten Baustelle wegen Benutzung der in Betracht kommenden Räume durch die Amerikaner nicht möglich [gemeint ist wohl die Feldartillerie-Kaserne, Anm. d. Verf.]. Auch sonst bestehen große Unterbringungsschwierigkeiten.“ Aus diesen Gründen schlug die Reichsvermögensverwaltung eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni 1921 vor.(2)
Dem deutschen Anliegen der Fristverlängerung bis Ende Juni 1921 erteilte die I.M.K.K. bereits am 11. Oktober 1920 eine Absage. Man solle eben schneller arbeiten und mehr Arbeitskräfte einsetzen.(3) Letztlich erhielten die Deutschen dann doch noch einen Aufschub: Die Botschafterkonferenz in Paris beschäftigte sich im April 1921 ebenfalls mit dem Thema Entfestigung und schlug eine Reihe von Erleichterungen vor, die die Kosten um ca. 6.000.000 RM senken sollten. Zum Thema Fristverlängerung heißt es in einem Gutachten der I.M.K.K. zu dieser Beschlussfassung: „Es ist anzunehmen, dass die übrigens sehr unzureichende Betriebsamkeit, die bis jetzt von der Deutschen Regierung bei den Arbeiten in Anwendung gekommen ist, auch in der Folge sich nicht ändern wird. Wenn dagegen die oben vorgeschlagenen Einschränkungen für die Entfestigungen zugelassen werden, so wird eine Frist von 6 Monaten reichlich genügen […].(4) Am 8. April 1921 teilte die IMKK den Deutschen schließlich mit, dass die Fertigstellungsfrist um ein halbes Jahr, beginnend mit dem 15. April, verlängert wurde, neuer Fertigstellungstermin war demnach der 15. Oktober.(5)
Matthias Kellermann
Anmerkungen
(1) Bericht des Entfestigungsamts Koblenz Nr. 810/20, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 4, Dokument ohne Nr.
(2) Schreiben der Reichsvermögensverwaltung Nr. vom 15.10.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 4, Dokument Nr. Inwieweit dieses Argument schlüssig ist, kann der Autor nicht beurteilen. Laut der amerikanischen Besatzung waren im Schnitt 50 Personen auf der Baustelle beschäftigt (vgl. American representation in occupied Germany, 1920-1921, Vol. II, compiled by the assistant chief of staff, G-2, American Forces in Germany, S.209).
(3) Schreiben der I.M.K.K. Nr. 1131 vom 11.10.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 4, Anlage zu Dokument Nr. 1153/20.
(4) Gutachten der I.M.K.K., in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 1, Anlage zu Dokument Nr. 568/21.
(5) Schreiben der I.M.K.K. Nr. 1489 vom 08.04.1921, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 1, Anlage zu Dokument Nr. 568/21.