Der deutsche Entfestigungskommissar besucht die Festungen der Rheinlande
Vom 9. bis zum 17. Juni 1920 bereiste der deutsche Entfestigungskommissar Generalmajor Günther Klotz(1) die von den Alliierten besetzten Rheinlande. Während dieser Rundreise, die den Kommissar in die Festungen Köln, Wesel, Koblenz, Mainz und Germersheim führte,(2) wurde auch das weitere deutsche Vorgehen in der Entfestigungfrage erörtert. Zwei Tage vor dem Beginn der Reise hatte der Leiter des Koblenzer Entfestigungsamts, Oberstleutnant Eduard Hüger, dem Entfestigungskommissar eine Stellungnahme zu den Schleifungsvorhaben der Amerikaner in Koblenz zukommen lassen.
Hüger hielt den amerikanischen Vorschlag insofern für beachtenswert, als er den deutschen Vorstellungen sehr nahe kam und er „daher für die weiteren Verhandlungen“ mit der I.M.K.K. wertvoll sein konnte. Für die Feste Kaiser Franz sahen die Amerikaner den Erhalt des Reduits und des Kehlturms sowie der Kehlmauern vor, außerdem sollte die äußere Grabenwand auf der rechten Seite des Werks wegen der Feldartillerie-Kaserne genauso stehen bleiben wie die dortige rechte Grabenwehr.
Dagegen sollten die Wälle vollständig abgetragen und in die Gräben verfüllt werden, was der Stadt Koblenz als Interessentin an der Liegenschaft entgegen gekommen wäre, da sie das Gelände später aufsiedeln wollte. An dem gänzlichen Abtrag der Wälle hatte die deutsche Seite allerdings kein Interesse, da man die Gefahr sah, hier einen Präzedenzfall für die weiteren Entfestigungsmaßnahmen an den übrigen Koblenzer Werken zu schaffen. Immerhin ging man davon aus, dass diese weitreichenden und arbeitsintensiven Arbeiten erhebliche Kosten verursachen würden, die es zu vermeiden galt.(3)
An welchem Datum der Entfestigungskommissar Klotz die Koblenzer Werke besichtigte ist leider nicht bekannt. Begleitet wurde er dabei sehr wahrscheinlich von Eduard Hüger, der einige der besprochenen Punkte wenig später in einem Schreiben festhielt. So sollten zunächst für die akut von der Schleifung bedrohten Festungswerke Erhaltungsanträge erstellt werden, um den möglichen Erhalt einzelner Festungsteile bei den aufzustellenden Schleifungsplänen mit berücksichtigen zu können. Allen Anträgen, die in siebenfacher Ausfertigung einzureichen waren, sollten außerdem „ausreichende Skizzen beigefügt werden, aus denen Bauart und Zeit der Erbauung“ hervorgingen. In Anlehnung an die eingangs erwähnten amerikanischen Vorschläge wollte man an der Feste Kaiser Franz das Reduit, den Kehlturm, die Kehlmauern sowie alle „Mauerteile, welche als Stützmauer der Steilabfälle des Geländes dienen“ erhalten. Mit letzteren waren hauptsächlich die Kommunikation zur Bubenheimer Flesche und die äußere Grabenwand auf der rechten Seite der Feste Kaiser Franz gemeint. Um der I.M.K.K. gegenüber den guten Willen der deutschen Seite zu demonstrieren, vereinbarte man zudem den unmittelbaren Beginn der praktischen Entfestigungsarbeiten (z. B. „Probesprengungen“ und „Abbruchsversuche„).(4)
Im Vorgiff auf die bevorstehenden Entfestigungsarbeiten hatte Oberstleutnant Hüger am 9. Juni 1920, just an dem Tag, als Kommissar Klotz seine Reise durch die Rheinlande antrat, beim für die Festung Koblenz und Ehrenbreitstein zuständigen amerikanischen Chefingenieur Bernhard A. Miller schon einmal vorsorglich die Freigabe zur Einführung von Sprengmunition aus dem Reich beantragt. Doch mit diesem Thema werden wir uns erst beim nächsten Mal beschäftigen.
Matthias Kellermann
Anmerkungen
(1) Das „Entfestigungskommissariat“ hat 1920 die „Unterkommission für Festungen“ der Heeresfriedenskommission ersetzt (Salewski, Michael: Entwaffnung und Militärkontrolle in Deutschland 1919-1927, München 1966, S. 60f. [Schriften des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik e.V., Band 24]).
(2) Vgl. Schreiben der Reichs-Vermögensverwaltung für das besetzte rheinische Gebiet Nr. 24/206 vom 18.06.1920, in: LHA Ko Best 578,002 Nr. 4, Dokument Nr. 252/20.
(3) Schreiben des Entfestigungsamts Koblenz Nr. 216/20 vom 07.06.1920, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 4, Dokument Nr. 216/20.
(4) Schreiben der Reichs-Vermögensverwaltung für das besetzte rheinische Gebiet Nr. 24/206 vom 18.06.1920, in: LHA Ko Best 578,002 Nr. 4, Dokument Nr. 252/20.