20. November 2021
Eine Einführung
Von der Feste Kaiser Alexander, dem größten Einzelwerk der Festung Koblenz und Ehrenbreitstein, finden sich heute leider nur noch wenige Überreste. Der ehemalige Eingang in die Feste, das sogenannte Löwentor, und die daran anschließenden ruinösen Hinterlassenschaften des Kehlreduits geben einen schwachen Eindruck von der einstigen Größe und Bedeutung der 1922 größtenteils beseitigten Anlage. Immerhin lässt ein Blick in einen Stadtplan von Koblenz oder Luftbilder des betreffenden Areals auf der Karthause den Umfang der Feste noch erahnen.
Die Feste Kaiser Alexander, benannt nach dem russischen Zaren Alexander I., wurde in den Jahren 1816-1824 auf einer Erhebung auf dem rechten Mosel- und linken Rheinufer – dem so genannten Hunnenkopf oder auch Spitzberg (heute Karthause) – erbaut. Sie geht zurück auf einen Vorschlag Ernst Ludwig Asters, der an dieser Stelle ein Festungswerk mit bastionärem Grundriss vorgesehen hatte. Die Baupläne stammten in großen Teilen von Claudius Franz Joseph Le Bauld de Nans.(1) Mit einer umschlossenen Fläche von etwa 262.000 m2 zählte sie zu den größten preußischen Festungen des 19. Jahrhunderts.(2) Nach der Auflassung 1903 blieb das Werk weiterhin unter militärischer Verwaltung. In der Folgezeit nutzte die preußische Armee „die verfallenen Festungsanlagen als Übungsgelände für Infanterie und Pioniere zum Festungskampf“,(3) als Truppenunterkunft und als Exerzierplatz.(4)
Nach dem Ersten Weltkrieg musste die Anlage dann aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags geschleift werden. Die Beseitigung der Feste Kaiser Alexander ist meines Erachtens eines der interessantesten Kapitel der Koblenzer Entfestigung nach dem Ersten Weltkrieg. Durch die straffen zeitlichen Vorgaben der Alliierten (die Frist betrug gerade ein halbes Jahr) und die Masse der zu bewältigenden Arbeiten – die Erdbewegungen entsprachen 41% und die Mauerwerksbeseitigung 57% der gesamten während der gesamten Entfestigung (1920-1922 und 1927/1929) bewegten Mengen, wobei an der Feste 75% der insgesamt verwendeten Sprengmittel zum Einsatz kamen – war eine gute Koordination der Maßnahmen vonnöten, was dem Koblenzer Entfestigungsamt trotz der widrigen Umstände scheinbar gut gelang.
Daneben waren auch die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im besetzten Rheinland nicht dazu geeignet, einen reibungslosen Ablauf der Entfestigungsarbeiten zu garantieren. Dies und die parallel stattfindenden Nivellierungsmaßnahmen der Stadt gaben der Interalliierten Militär-Kontrollkommission (I.M.K.K.) Anlass zur Sorge, die Arbeiten könnten nicht fristgerecht beendet werden. Besonderes Interesse an der Entfestigung der Feste Kaiser Alexander zeigte die amerikanische Besatzung in Koblenz, wodurch einmalige schriftliche und bildliche Zeugnisse entstanden.
Die Feste Kaiser Alexander blieb allerdings zunächst von Entfestigungsmaßnahmen verschont. Erst nach Abschluss der Maßnahmen an der Feste Kaiser Franz war es im Frühjahr 1922 an der Zeit, die Festungswerke auf der Karthause zu zerstören. Zuvor hatte die Stadt Koblenz bereits Interesse an dem entfestigten Gelände angemeldet.
Matthias Kellermann
Anmerkungen
(1) Zur Planungsgeschichte vgl. Weber, Klaus T.: Die preußischen Festungsanlagen von Koblenz (1815–1834), Weimar 2003 (Reihe: Kunst- und Kulturwissenschaftliche Forschungen Band 1), S. 182-186
(2) Kleber, S. 35
(3) Wischemann, Rüdiger: Die Festung Koblenz. Vom römischen Kastell und Preußens stärkster Festung zur größten Garnison der Bundeswehr, Koblenz 1978, S. 86
(4) Vgl. Landeshauptarchiv Koblenz (LHA Ko) 578/6: „EA 4 1921“: Notizen über die Werke des linken Rheinufers
Abbildungen
Abb. 1: Sammlung R. Arenz, unbekannter Fotograf, nach 1885