Ein Sprengunfall
Am 30. Dezember 1920 kam es bei den Sprengarbeiten zu dem einzigen aktenkundigen Unfall an der Feste Kaiser Franz, bei dem zwei Arbeiter verletzt wurden. Der Mitarbeiter des Entfestigungsamts F. Wagner notierte: „Am 30.12.20 Vorm. 10 Uhr wurden 2 Sprengladungen in 2 verschiedenen Minenstollen unter dem Reduit des Kernwerks Franz zur Entzündung gebracht. […] Die beiden Sprengarbeiter […] hatten sich nach der Zündung auf sichere Entfernung zurückgezogen und ganz deutlich 2 zeitlich getrennte Detonationen wahrgenommen.“ Die beiden Männer gingen nach der Explosion in das sogenannte „Minenvorhaus“, wo sie ca. 30 Minuten abwarteten. Nach Ablauf dieser Zeit „wollten sie die Wirkung der Sprengung feststellen und beleuchteten die eine Sprengstelle ganz nahe mit einer offenen Karbitlampe. Plötzlich entstand eine bläulichhelle Flamme und mit einem lauten Zischen wurden die Arbeiter mit großer Gewalt einige Meter zurückgeschleudert, wobei die Lampe erlosch. Mit großer Mühe erreichten sie durch Tasten und Suchen das Freie. Sie waren an […] und Kopf stark verbrannt, die Haare nur zum Teil, auch die Kleider waren versengt.“
Wagner macht den Sprengmeister für das Unglück mitverantwortlich: „Der die Aufsicht führende Sprengmeister dürfte nicht ganz frei von Schuld sein. Er mußte wissen, und darauf habe ich oft genug hingewiesen, daß solche [unleserlich] nur mit Sicherheitslampen nach einer Sprengung betreten werden dürfen.“ Die anschließende Untersuchung des Vorfalls ergab jedenfalls, dass der Unfall vermutlich auf fehlerhafte Munition zurückzuführen war und die beiden Männer keine Schuld traf. Dass die benutzte Munition nicht von guter Qualität war, hatte sich vorher schon bei den Entfestigungsarbeiten in Köln und Mainz gezeigt,(1) wo einige Monate später, genauer am 4. April 1921, sogar ein Arbeiter ums Leben kommen würde.(2) Für die weiteren Sprengarbeiten in Koblenz empfahl Oberstleutnant a. D. Hüger bereits Anfang Januar 1921, beim Reichsschatzministerium um fehlerfreie Munition nachzusuchen.(3) Aufgrund der negativen Erfahrungen mit der Heeresmunition erließ das Entfestigungsamt dann noch im Februar 1921 neue Instruktionen für das Verhalten nach den Sprengungen, wonach „Sprengstellen in geschlossenen Räumen erst nach Ablauf einer Sicherheitsfrist von 12 Stunden unter Anwendung einschlägiger Maßnahmen und nur mit Sicherheitslampen“ betreten werden durften, für „Sprengstellen im Freien“ galt eine Frist von einer Stunde.(4)
Der Vorfall vom 30. Dezember blieb anscheinend aber der einzige größere Unfall, der sich bei den Sprengarbeiten an der Feste Kaiser Franz ereignete. Darüber hinaus berichtet F. Wagner später in einem Artikel über die Entfestigung, dass eine Frau einen Schock erlitten hatte, da einige bei einer Sprengung weggeschleuderten Steine in ihrem Haus eingeschlagen waren. Außerdem kamen zwei weitere Privatpersonen zu Schaden.(5) Durch die Nähe der Festungswerke zu bewohnten Gebäuden kam es darüber hinaus durch die Sprengungen auch zu Sachschäden: „Da manche dieser Forts in unmittelbarer Nähe der äußeren Stadtteile lagen, riefen die durch die Explosionen hervorgerufenen Luft- und Erderschütterungen an den dort befindlichen Wohnhäusern große Schäden hervor. Die Häuser bekamen Risse, die Fenster zersprangen. An der Trierer Straße zu Koblenz-Lützel gab es z. B. Häuser, an denen infolge der an der Feste Franz vorgenommenen Sprengungen kein einziges Fenster mehr ganz war.“(6) Die Verträge mit den an den Festungswerken arbeitenden Firmen sahen aus diesem Grund auch vor, dass diese zur Absicherung gegen mögliche Forderungen Dritter eine Versicherung abschließen mussten.(7)
Die beiden Männer, die sich bei dem Unfall verletzt hatten, waren unverzüglich zur medizinischen Versorgung in das Hospital in der Koblenzer Kastorgasse gebracht worden. Wie es den beiden Arbeitern dort weiter erging ist nicht bekannt.
Matthias Kellermann
Anmerkungen
(1) Vgl. Schreiben des Entfestigungsamts vom 03.01.1921, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 35/21.
(2) Vgl. Schreiben der Reichsvermögensverwaltung für das besetzte rheinische Gebiet vom 30.05.1921, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 226/21. Darin wird auch festgehalten, dass „weder einem Beamten des Entfestigungsamtes, noch einem Angestellten der Unternehmer-Firma ein Verschulden an dem Unfall beizumessen“ sei.
(3) Vgl. Schreiben des Entfestigungsamts vom 03.01.1921, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 35/21. Das Ministerium informierte daraufhin die Reichsvermögensämter am 31. Januar 1921, dass „es nicht ausgeschlossen“ sei, „daß nach erfolgter Sprengung aus unbekannter Ursache Nachexplosionen oder größere Stichflammen an den Sprengherden auftreten“ könnten (Schreiben des Reichsschatzministers Nr. V. 4/2773.21 vom 31.01.1921, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Dokument Nr. 215/21).
(4) Handschriftlicher Entwurf des Entfestigungsamts Koblenz vom Februar 1921, in: LHA Ko Best. 578,002 Nr. 3, Ergänzung zu Dokument Nr. 215/21.
(5) Wagner, S. 50
(6) Wenz, Jakob: Elf Jahre in Fesseln. Die Leidensgeschichte der Koblenzer Bevölkerung während der Besatzungszeit, Koblenz ohne Jahresangabe, S. 105. Vgl. auch Wagner, Entfestigung, S. 50.
(7) Wagner, S. 50
Abbildungen
Abb. 1: Foto R. Arenz