François Séverin Desgraviers Marceau

Am Fuß der Kommunikation zwischen dem Reduit der Feste Kaiser Franz und der Bubenheimer Flesche steht eine steinerne Pyramide. Es ist das Kenotaph, das heißt das leere Grab, des französischen Revolutionsgenerals Marceau.

Abb. 1: Die Pyramide von Marceau in Lützel, 2019

François Séverin Desgraviers Marceau wird am 1. März 1769 in Chartres, der Hauptstadt der französischen Agrarregion „Beauce“, geboren. Sein Vater, Schreiber am Kriminalamt der Stadt, hätte sich gewünscht, dass sein Sohn sich ebenfalls der Schreibstube zuwendet, dieser aber fühlte sich vom Militär angezogen. Er tritt am 1. März 1785, seinem 16. Geburtstag, der Armee bei, so wie es damals das Gesetz erlaubt. Die Ereignisse in Frankreich ziehen den jungen Mann aber mit: 1789 ist er an dem Sturm auf die Bastille beteiligt, 1790 dient er als Adjutant des Generals La Fayette bei der Pariser Nationalgarde, 1791 ist er einer der ersten, der der Nationalgarde von Chartres beitritt, 1792 sieht man ihn im belagerten Verdun und an der Front in der Champagne.

Abb. 2: Marceau von François-Séraphin Delpech, 1823

Nach dem Sieg gegen den Preußen tritt er wieder der regulären Armee bei und kommt als Leutnant der „Légion Germanique“ erneut nach Chartres. 1793 ist er in der Vendée eingesetzt, um den dortigen Aufstand zu bekämpfen. So lernt er den General Kléber kennen, mit dem er sich anfreundet. Marceau erlangt sogar Ende des Jahres den Oberbefehl über die republikanischen Truppen und, unterstützt von Kléber, zerschlägt die „große katholische und königliche Armee“ der Aufständischen. Wegen Meinungsunterschieden mit General Turreau, dem neu ernannten Obergeneral im Westen, wird Marceau anschließend an die belgische Grenze geschickt. Er kämpft bei Fleurus und beteiligt sich unter dem General Jourdan an der Eroberung Belgiens.

Nachdem die Österreicher über den Rhein zurückgeworfen sind, marschiert Marceau gen Süden und erobert Koblenz am 23. Oktober 1794 (siehe Fundstück der Woche 10/2017). Mitte des folgenden Jahres kommt es erneut zum Krieg. Nach dem ersten Rheinübergang ist Marceau an der Belagerung der Festung Ehrenbreitstein beteiligt. Der Feldzug schlägt allerdings fehl und die Franzosen ziehen sich hinter den Rhein zurück. Marceau wechselt dann zu der Stellung des Soonwaldes, im südöstlichen Hunsrück, und kämpft bei Bad Kreuznach. Ende des Jahres verhandelt er einen Waffenstillstand mit dem österreichischen General Baron von Kray aus.

Bei der Wiederaufnahme der Kämpfe im Mai 1796 stößt Jourdan erneut über den Rhein. Marceau ist wieder mit Belagerungsarbeiten betraut, sowohl um den Ehrenbreitstein als auch bei der Einkesselung von Mainz, bis sich die republikanischen Kräfte nach der Niederlage von Würzburg zurückziehen müssen. Bei der Deckung des Manövers wird Marceau am 19. September 1796 im Westerwald von einem Tiroler Jäger tödlich verwundet. Der Obhut der Österreicher überlassen, stirbt er zwei Tage später in Altenkirchen.

Abb. 3: „Mort de Marceau“ von Alphonse Lalauze, 1905

Marceaus Leichnam wird den Franzosen mit allen Ehren gebracht und nach Koblenz überführt. Am 25. September 1796 erfolgt seine Beisetzung in Anwesenheit der gesamten Armee und mit Salutschüssen der Österreicher von der Festung Ehrenbreitstein. Marceau war in der Tat von Freund und Feind sehr geachtet. Das französische Fort auf dem Petersberg in Lützel wird ab jetzt „Fort Marceau“ genannt. Ein Jahr später, einen Tag nach der Beisetzung des Generals Hoche, wird Marceau exhumiert und eingeäschert. Dann wird seine Urne in der Pyramide beigesetzt, die Kléber und die Armee finanziert hatten. Dieses Denkmal lag am Rand des Petersbergs, auf dem Gelände der späteren Bubenheimer Flesche, heute dem Volkspark in Koblenz-Lützel (siehe auch Fundstück der Woche 05/2020).

Abb. 4: „Die Verbrennung von Marceau auf dem Petersberg“ von Emilie Boutigny, 1899

Die Abenteuer von Marceau sind damit aber leider noch nicht abgeschlossen. 1798 entnimmt der Stadtkommandant von Koblenz, General Bernadotte, ein Teil der Asche und schenkt sie Marceaus Schwester. Nach verschiedenen Aufteilungen dieser Reste befinden sich heute Teile der Asche von Marceau sowohl in Chartres, im Sockel der Statue, im Pantheon, in der Krypta der Gouverneure und in dem Musée de l’Armée in Paris. 1804 brechen Eindringlinge in das Grab ein und kippen die Asche aus, vermutlich um Wertgegenstände zu suchen. Die Gendarmerie sammelt die Asche wieder ein (!) und deponiert die Urne mit dem Hauptanteil von Marceaus Asche in der damaligen Präfektur. Der Verbleib der Urne nach der russischen und preußischen Einmarsch 1814 ist leider unbekannt (siehe auch Fundstück der Woche 12/2017).

Nicht genug, auch das Grabmal selbst ist jetzt im Weg der neuen preußischen Befestigungen. 1817 wird es daher abgebaut und auf Befehl des preußischen Königs Friedrich-Wilhelm III. etwas verkleinert am Fuß der Kommunikation wieder aufgebaut, , wo es bis heute noch steht (siehe auch Fundstück der Woche 28/2019).

1871 werden französische Kriegsgefangene neben der Pyramide bestattet, die im Lager auf dem Glacis der Feste verstorben sind. 445 Namen in 31 Gräbern sind überliefert. Der Ort trug bei den Franzosen den Name „Sambre- und Maas-Friedhof“, in Erinnerung an die Armee von Jourdan, in der Marceau diente, und ist heute als „Franzosenfriedhof“ bekannt (siehe auch Fundstück der Woche 34/2018 und Fundstück der Woche 08/2018).

Jean-Noël Charon

Abbildungen

Abb. 1: Foto Jean-Noël Charon, 2019
Abb. 2: François Séverin Desgraviers-Marceau von François-Séraphin Delpech, 1823, CC-PD, via Wikimedia Commons
Abb. 3: „Mort de Marceau“ von Alphonse Lalauze, 1905, Ansichtskarte, Sammlung Jean-Noël Charon
Abb. 4: „Die Verbrennung von Marceau auf dem Petersberg“ von Emilie Boutigny, 1899, Sammlung Jean-Noël Charon