Fundstück der Woche 28/2022

Eine Karte von Koblenz und Ehrenbreitstein, um 1700

Das Fundstück der Woche 28/2022 ist eine kolorierte Karte von Koblenz und Ehrenbreitstein, hier Ermanstein genannt. Sie zeigt u.a. auch die Verteidigungsanlagen am Lützeler Brückenkopf und den Petersberg, der zu dieser Zeit hauptsächlich dem Weinbau diente. Der Kupferstich von Nicolas de Fer (1646-1720) und Pierre Mortier (1661-1711) erschien um 1700.

Abb. 1: Karte von Koblenz und Ehrenbreitstein, um 1700

Nach den Verwüstungen des 30-Jährigen-Krieges, an dessen Ende Lützel-Koblenz erneut „fast gänzlich zerstört“(1) war, sah man auf kurtrierischer Seite nicht nur die Notwendigkeit zum weiteren Ausbau der Festung Ehrenbreitstein und der Koblenzer Stadtbefestigung, sondern auch die der Sicherung der Moselbrücke auf dem jenseitigen Flussufer. Diese Form einer vorgeschobenen Verteidigungslinie wird im allgemeinen Brückenkopf genannt, und ein eben solcher entstand nach 1680, spätestens ab 1682 unter Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck (1634-1711).(2)

Über die Art der Ausführung dieser Verteidigungsanlage gibt es unterschiedliche Angaben; eine Quelle berichtet von einer „Flesche mit flankirenden Linien“,(3) eine andere von einer „Sternschanze“(4) bzw. einem „Sternwerk“(5). Vermutlich handelte es sich dabei, wie hier gezeigt, um ein in Erde ausgeführtes Kronwerk, das über einen vor dem Wall liegenden, ungefütterten Graben verfügte. Den hinter dem Festungswerk liegenden Zugang zur Moselbrücke sperrten „zwei Thürmchen mit einer Zugklappe“, während die Brücke selbst ebenfalls stark gesichert war.(6) Da das Erdwerk eher provisorischen Charakter besaß, waren auch weitere Ausbauten im Gespräch: „Massive Redouten […] wurden einige Male empfohlen und die Befestigung der Karthaus, des Petersberges, der Arzheimer und der Pfaffendorfer Höhen, als wünschenswert bezeichnet.“(7) Zur Ausführung kamen diese Verstärkungen allerdings nicht.

Die Anlage des Brückenkopfes bedeutete indes erneutes Ungemach für die wenigen noch hier siedelnden Lützel-Koblenzer, die „im Jahr 1672 noch fünf und vierzig Familien“ zählten.(8) Die meisten Bewohner zogen nach Neuendorf um, während ihre Häuser dem Festungsbau weichen mussten und abgerissen wurden.(9) Unweit des Brückenkopfes blieb ein Teil der Bebauung jedoch erhalten: „Nur ein geringer Zwischenraum trennte es [gemeint ist das Kronwerk, Anm. d. Verf.] stromaufwärts von den Häusern der kleinen, eben erst aus der Zerstörung des 30jährigen Krieges wiedererstandenen Vorstadt Lützelkoblenz.“(10) Auf den Bau eines „Fort auf dem Petersberge, wozu ein holländischer General gerathen hatte“, wurde jedoch aus Kostengründen verzichtet.(11)

Für die verbliebenen etwa 20 Familien(12) ließ neuerliches Unheil nicht lange auf sich warten. Ende 1688 geriet Koblenz in die Auseinandersetzungen des Pfälzischen Erbfolgekrieges, mit für die Stadt Koblenz und auch für Lützel verheerenden Folgen: Am 4. November gingen die stromaufwärts gelegenen Häuser von Lützel-Koblenz in Flammen auf,(13) am 13. November räumten die französischen Soldaten den Lützeler Brückenkopf, nicht ohne zuvor noch die wenigen verbliebenen Gebäude von Lützel-Koblenz in Brand gesteckt zu haben.(14) Die Einwohner flohen in das benachbarte Neuendorf, wo sie eine neue Bleibe fanden. „Lützel hatte aufgehört zu existieren und war mit seinem übrig gebliebenen 20 Familien in dem von ihm gegründeten Neuendorf aufgegangen.“(15)

Ob die hier gezeigte Karte nun den Zustand vor oder nach 1688 zeigt, lässt sich leider nicht mit Gewissheit sagen.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

Der Text stammt aus einem unveröffentlichten Manuskript von 2017.

(1) Dziobek, Ernst: Die Festungen Koblenz und Ehrenbreitstein vor der preußischen Besitznahme, in: Archiv für die Officiere der Königlich Preußischen Artillerie- und Ingenieur-Korps, Berlin, Posen und Bromberg 1845, Band 18, S. 162-186 und S. 201-260, hier S. 172 (künftig: Dziobek, Besitznahme). Siehe auch Bellinghausen, Rückblick, S. 4 und die Stadtansicht von Matthäus Merian von der Belagerung der Stadt Koblenz durch schwedische Truppen im Jahr 1632.
(2) Vgl. Günther, Adam und Fritz Michel: Die Stadtbefestigungen von Koblenz von der Römerzeit bis ins XX. Jahrhundert, in: Der Burgwart. Zeitung für Wehrbau, Wohnbau und Städtebau, hrsg. von Bodo Ebhardt, Nummer 5/6, 1928, S. 81-92, hier S. 89 (künftig: Günther/Michel, Stadtbefestigungen) und Biebricher, Andreas: Die Zerstörung von Koblenz im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688). Studien zu einer kriegerischen Katastrophe und ihrer Bewältigung, Koblenz 1998, S. 54 (künftig: Biebricher, Studien) sowie Günther, Lützel-Coblenz, S. 292.
(3) Toll, […]: Die Bombardirung von Koblenz im Jahre 1688, in: Archiv für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillerie- und Ingenieur-Korps, Band 25, 1. Heft, Berlin und Posen 1849, S. 123-142, hier S. 127 (künftig: Toll, Bombardirung).
(4) Lassaulx, Adam: Lützel Coblenz, ein historisch-topographischer Versuch, Koblenz 1803, S. 26 (künftig: Lassaulx, Lützel Coblenz).
(5) Bellinghausen, Rückblick, S. 5.
(6) Dziobek, Besitznahme, S. 173f.
(7) Dziobek, Besitznahme, S. 182. Diese vier Höhenzüge rund um Koblenz wurden in preußischer Zeit befestigt.
(8) Lassaulx, Lützel Coblenz, S. 26.
(9) Vgl. Dziobek, Besitznahme, S. 173f.
(10) Toll, Bombardirung, S. 127. Siehe auch den Plan von 1689 bei Michel, Ehrenbreitstein, Abb. 13, S. 24 und Bibliothèque nationale de France, département Cartes et plans, GE D-16240: Plan des fortifications et des environs de Coblence, 1710, abgerufen am 04.08.2015 unter http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8494004f.
(11) Klein, Johann August: Rheinreise von Mainz bis Köln. Historisch, topographisch, malerisch bearbeitet vom Professor Joh. Aug. Klein, Koblenz 1828, S. 167.
(12) Vgl. Lassaulx, Lützel Coblenz, S. 26 und Bellinghausen, Rückblick, S. 5.
(13) Vgl. Toll, Bombardirung, S. 132f. Siehe auch Brief de Boufflers an de Louvois vom 05.11.1688, in: Schwab, Zerstörung, S. 70. Bellinghausen zufolge wurde die verhängnisvolle Kugel von der Stadt aus abgefeuert. Vgl. Bellinghausen, Rückblick, S. 5.
(14) Vgl. Toll, Bombardirung, S. 136. Bellinghausen gibt den 12. November als Datum der Zerstörung an (vgl. Bellinghausen, Rückblick, S. 5).
(15) Bellinghausen, Rückblick, S. 5. Die Annahme, Lützeler Bürger hätten Neuendorf gegründet, findet sich z.B. auch bei Lassaulx, Lützel Coblenz, S. 9. Siehe auch Habrock-Henrich, Petra: Vom Dorf zum Stadtteil. Zur Geschichte Neuendorfs, seiner Wirtschaft und Gesellschaft vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Neue Folge 1, Koblenz 1991, S. 11-38, hier S. 11ff.

Abbildungen

Abb. 1: Sammlung M. Kellermann, nachkolorierter Kupferstich von Nicolas de Fer (1646-1720) und Pierre Mortier (1661-1711), um 1700