Die erste alliierte “Besichtigungstour” durch die Koblenzer Festungswerke
Am 2. und 3. März 1920 begleitete Oberstleutnant Eduard Hüger, damals Ingenieur-Offizier vom Platz und Vorstand der Fortifikation Koblenz, den Leiter der Kölner Distriktkommission der Interalliierten Militär-Kontrollkommission (I.M.K.K.), den belgischen Oberst Ver Eecke, bei einer „Besichtigungstour“ durch die Koblenzer Festungswerke. Weitere Teilnehmer waren der französische Verbindungsoffizier Major Jean Thèbes(1) und der deutsche Hauptmann Creite als Vertreter der deutschen Heeresfriedenskommission.
Bei ihrem Besuch der Festung in Koblenz verlangten die alliierten Vertreter der I.M.K.K. „genauen Einblick in alle Werke, auch die aufgelassenen des linken Rheinufers“. Ziel des Ortstermins war, „einen Eindruck über Aufgaben, Bauart und Zustand zu gewinnen als Unterlage für die Erwägung der zu fordernden Entfestigung. Die Besichtigung war sehr eingehend“ und erstreckte sich auch auf bauliche Details wie den Aufbau der Gräben und Wälle. Den Einwand Eduard Hügers, dass die linksrheinischen Festungswerke bereits seit der Jahrhundertwende aufgelassen waren, ließen die alliierten Offiziere nicht gelten. Man wollte sich selbst vor Ort ein Bild der Anlagen machen, um entscheiden zu können, wie weitreichend die Zerstörungen ausfallen müssten, damit die Werke als entfestigt gelten könnten.
Wann genau die Gruppe die Feste Kaiser Franz besichtigt und welche Eindrücke sie von dort mitgenommen hat, geht aus dem Schreiben Hügers leider nicht hervor. Seine vorsichtige Einschätzung in Bezug auf die kommenden Entfestigungsmaßnahmen und die Forderungen der Alliierten ist allerdings sehr weitsichtig: „Wenn mir auch gesagt wurde, dass bei der Entfestigung auf die Erhaltung des Landschaftsbildes Rücksicht genommen würde, so gewann ich doch den Eindruck, dass die Commission in ihrem Bericht keineswegs ganz auf eine Entfestigung von Coblenz verzichten, sondern vielleicht ziemlich weitgehende Zerstörungsarbeiten fordern wird.“(2)
Welche genauen Schlüsse die alliierten Vertreter aus ihren Besichtigungen gezogen haben, ist nicht bekannt, die späteren Forderungen sprechen hier allerdings für sich. Für den Moment forderten sie von der deutschen Seite zunächst einmal Grundrisse der Festungswerke an, die diese erst einmal herbeibringen mussten. Parallel arbeiteten aber augenscheinlich auch die Amerikaner an Plänen zur Entfestigung von Koblenz, doch das ist eine andere Geschichte.
Matthias Kellermann
Anmerkungen
(1) Major Jean Thèbes, der vermutlich Deutsch sprechen, lesen und schreiben konnte, war französischer Verbindungsoffizier bei der I.M.K.K. in Köln und dort zuständig für die Entfestigung von Koblenz. F. Wagner, der Mitarbeiter des Koblenzer Entfestigungsamts war, stellt in seinem Bericht über die Entfestigung von Koblenz heraus, dass Thèbes „die Kontrolle den Umständen nach, sehr vornehm ohne jede Härte oder Schikane, ausgeübt hat“.
(2) Schreiben der Fortifikation Nr. T.B. 348/20 vom 05.03.1920, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Best. R 33937, S. 1.