Fundstück der Woche 27/2020

Feuerwerk, 14. August 2011

Das Fundstück der Woche ist eine Nachtaufnahme der Feste Ehrenbreitstein vom 4. August 2011, aufgenommen während des Feuerwerks zu Rhein in Flammen. Die Fotografie wurde von der linken Kehlmauer der Feste Kaiser Franz auf dem Plateau des Petersbergs gemacht, dort, wo heute die Bauarbeiten für den neuen Festungspark laufen.

Das alljährlich im August stattfindende Abschlussfeuerwerk zu Rhein in Flammen von der Feste Ehrenbreitstein hat unser Verein im BUGA-Jahr 2011 dazu genutzt, eine kleines Event für die Vereinsmitglieder und die Kameraden der Reservistenkameradschaft Bad Godesberg/Wachtberg, die uns tatkräftig bei unseren Arbeiten am Festungswerk unterstützt haben, zu organisieren. Während des Feuerwerks entstand die hier gezeigte Aufnahme.

Abb. 1: Feuerwerk von der Feste Ehrenbreitstein zu Rhein in Flammen, August 2011

Bereits zur Zeit der amerikanischen Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg wurden auf dem Ehrenbreitstein zu besonderen Anlässen Feuerwerke gezündet. Ein solcher Anlass war zum Beispiel die Feier des amerikanischen Unabhängigkeitstags am 4. Juli. Eine besondere Bedeutung erhielt das Feuerwerk im Sommer 1919, weil die Deutschen kurz zuvor den Versailler Vertrag unterschrieben hatten. Der Unterzeichnung waren massive Drohungen der Alliiierten vorausgegangen, die auch militärische Maßnahmen gegen das Reich beinhalteten. Für viele amerikanische Soldaten bedeutete dies das Ende der eintönigen, von Warten und Heimweh geprägten Besatzungzeit im Rheinland.

Zum Feuerwerk am 4. Juli 1919 schrieb der amerikanische Zeitzeuge James E. Henschel in einem Brief:
„Die Amerikaner dachten, dass ein 4. Juli ohne Feuerwerk fast so schlimm sei wie einer ohne Picknick, und da das Picknick bereits auf der Liste der verbotenen Dinge (GC 218, Serie 1918) stand, sollte es also ein Feuerwerk sein. […] Zwei lange Stunden und eine halbe starrte ich staunend auf einen Anblick, den ich nie wieder sehen möchte. […] Es war wunderbar, großartig, und ich glaube, es war der beste Nutzen, den man mit Leuchtraketen und Raketen erzielen konnte. Es gab alles, von den kleinen kurzlebigen Pistolenfackeln […] bis zu den großen Scheinwerferbomben, die weit in die Luft gehen und lange Minuten zu hängen scheinen. In Kriegszeiten waren diese Minuten wirklich lang! Die Magnesiumfackeln, die ein so brillantes Licht abgeben, sind sicherlich schön zu sehen. Alle Farben des Regenbogens und einige wenige Kombinationen, die den Regenbogen eifersüchtig machen würden. Es war wunderbar.“(1)

Abb. 2: Feuerwerk zum amerikanischen Nationalfeiertag, 4. Juli 1920

Auf der Feste Kaiser Franz sah man von dem Spektakel sowohl 1919 als auch 1920 nicht viel, erst mit dem Abriss der Kehlmauern im Januar 1921 boten sich hier ganz neue Ausblicke zum Ehrenbreitstein (siehe Fundstück 47/2016). Ob die auf dem Petersberg stationierten amerikanischen und später die französischen Soldaten von hier aus die Feuerwerke beobachtet haben, wissen wir nicht. Denn auch die französische Besatzung, die die amerikanische Zone ab 1922 zunächst schleichend und am 27. Januar 1923 schließlich endgültig übernahm, ließ es sich nicht nehmen, am 14. Juli 1923 (französischer Nationalfeiertag) Feuerwerke auf der Feste Ehrenbreitstein abzubrennen.

Abb. 3: Feuerwerk zum französischen Nationalfeiertag, 14. Juli 1923

Die französische Besatzung sollte ursprünglich zum Januar 1930 die Koblenzer Zone verlassen, so war es zumindest im Versailler Vertrag festgelegt. Aufgrund der Beschlüsse der Haager Konferenzen sollte die Zone nun bereits eineinhalb Monate vor diesem Datum geräumt werden. Der Abzug der französischen Einheiten begann im großen Stil in der zweiten Monatshälfte des Novembers 1929 und vollzog sich insgesamt sehr geräuschlos. Der Koblenzer Bevölkerung fiel der Truppenabzug hauptsächlich dadurch auf, dass täglich weniger Besatzungssoldaten in der Stadt zu sehen waren. Die Abschlusszeremonie fand am 30. November auf der Feste Ehrenbreitstein statt, wo sich die letzten verbliebenen französischen Einheiten versammelten: Eine Kapelle der Chasseurs à pied (Jäger zu Fuß), ein Bataillon Infanterie und die Marine-Infanteristen der Rheinflotte, die am Fuße des Ehrenbreitsteins vor Anker lag.

Abb. 4: Paul Tirard (Bildmitte) auf der Feste Ehrenbreitstein, 30. November 1929

Der ebenfalls an der Zeremonie teilnehmende Präsident der Interalliierten Rheinlandkommission, Paul Tirard, berichtet:
„Es ist 11H30. Ein Kommando. Das Aufblitzen der Waffen, die zum Stehen kommen. Die Blechbläser wirbeln mit ausgestreckten Armen herum. „Au drapeau! [Zur Flagge!]“ Das pathetische Geläut, klar und mitreißend, ergreift das Herz. Die Trikolore gleitet langsam an ihrem Mast entlang [gen Boden]. Frankreich hat, gemäß der Tradition seiner Geschichte, seinem [National-]Zeichen Ehre erwiesen. Eine bewegende Stunde, grausam für diejenigen, die 12 Jahre ihres Lebens dem rheinischen Werk geopfert haben. Die Truppen sind zum letzten Mal aufmarschiert [defiliert]. Um die Mittagszeit haben sie Koblenz endgültig verlassen. Die Bevölkerung hat auf ihrem und auf meinem Weg ein sehr korrektes Verhalten beobachten können.„(2)

Abb. 5: Abzug der letzten französischen Soldaten vom Ehrenbreitstein, 30. November 1929

Die anschließenden Feierlichkeiten der Deutschen verliefen ohne Zwischenfälle, Feuerwerke wurden abgebrannt (wobei Paul Tirard dem rheinischen Volk eine besondere Affinität zu diesen bescheinigt), der Rheinwein floss üppiger als sonst, Reden wurden gehalten, am Schlossplatz, wo sich eine größere Menschenmenge versammelt hatte, wurde musiziert und eine größere Anzahl Brieftauben freigelassen. Zum Ende der Besetzung und der Befreiungsfeierlichkeiten an diesem 30. November bemerkt Paul Tirard poetisch: „Um 0H30 war die Feier vorbei, die Lichter gingen aus und das Leben ging weiter, wie das Fließen des Flusses.“(3)

Abb. 6: Feuerwerk anlässlich der Befreiungsfeierlichkeiten, 30. November 1929

Doch damit war das Kapitel „Befreiung“ für die Deutschen noch nicht geschlossen. Eine gemeinsame deutsch-französische Rheinlandfeier, für die die Gelegenheit zu diesem Zeitpunkt günstig gewesen wäre, lehnte Preußen ab, stattdessen sollte in Koblenz am 22. Juli 1930 eine zentrale „Hauptbefreiungsfeier“ stattfinden, an der auch Reichspräsident Hindenburg teilnehmen sollte. Auf die Feier möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Soviel sei allerdings noch gesagt: Durch das tragische Brückenunglück am Sicherheitshafen in Lützel, bei dem nach dem Abschlussfeuerwerk 38 Personen, davon 10 Kinder und Jugendliche, des nachts in der Mosel ertranken, fand die Besetzung des Rheinlands ein endgültiges, ein bitteres Ende.

Abb. 7: Am Ort des Brückenunglücks am Lützeler Sicherheitshafen, 23. Juli 1930

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Feuerwerksspektakel auf dem Ehrenbreitstein 1956 wieder aufgenommen, zu einer Zeit, als das ehemalige Festungsgelände auf dem Petersberg als Elendsquartier diente. Es steht zu vermuten, dass die Bewohner der Feste Kaiser Franz auch die Aussicht vom Petersberg auf die Feste Ehrenbreitstein genossen und das Feuerwerk von hier aus betrachtet haben. Zukünftig sollte dies von dem derzeit im Entstehen begriffenen Festungspark Feste Kaiser Franz auch für eine breite Öffentlichkeit wieder möglich sein.

Matthias Kellermann

Anmerkungen

(1) Brief James E. Henschels an seine Mutter, 14.07.1919, hier abgerufen am 29.06.2020. Übersetzung M. Kellermann und www.DeepL.com/Translator.
(2) Tirard, Paul: La France sur le Rhin. Douze années d’occupation Rhénane, Paris 1930, S. 428. Übersetzung M. Kellermann und J.-N. Charon.
(3) Ebd., S. 429. Übersetzung M. Kellermann.

Abbildungen

Abb. 1: Foto R. Arenz, 2011.
Abb. 2: Sammlung A. Bode-Kessler, Fotografie von Lindstedt & Zimmermann, Koblenz, 1920 (gemeinfrei), mit freundlicher Genehmigung. Mehr Informationen zu Lindstedt & Zimmermann finden Sie hier.
Abb. 3: Sammlung M. Kellermann, Fotografie von Lindstedt & Zimmermann, Koblenz, 1923 (gemeinfrei).
Abb. 4-6: Sammlung M. Kellermann, unbekannter Fotograf, 1929.
Abb. 7: Sammlung M. Kellermann, Fotografie von Lindstedt & Zimmermann, Koblenz, 1930 (gemeinfrei).

Anmerkung: Da nicht alle Rechteinhaber ermittelt werden konnten, bitten wir, uns eventuelle Ansprüche mitzuteilen.