Weihnachten an der Feste Kaiser Franz, 1919/1920
Das Fundstück der Woche ist ein Artikel aus der in Koblenz erscheinenden amerikanischen Tageszeitung „The Amaroc News“ vom 7. Januar 1920. Darin wird berichtet, dass am 1. Januar 1920 die fehlenden 3.000 „Weihnachtsstrümpfe“ (Christmas stockings) des Roten Kreuzes von Paris aus auf den Weg gebracht worden waren und bald in Koblenz eintreffen würden.
Mit dieser Lieferung sollten dann auch die 500 an der Feste Kaiser Franz stationierten Soldaten oder Armeeangehörigen beschenkt werden, die zuvor an Weihnachten 1919 leer ausgegangen waren. Die Verteilung vor Ort übernahm das Koblenzer YMCA (kurz „Y“), dass eine Kantine auf der Feste Kaiser Franz unterhielt (siehe Fundstück der Woche 47/2016).(1) Eine Abbildung eines 1918 verteilten „Red Cross Christmas stocking“ gibt es hier.
In dieser Kantine, wie auch an den anderen Standorten des „Y“, wurden zu Weihnachten auch Sammlungen für die Koblenzer Kinder durchgeführt. Ein Zeitzeuge berichtet im Dezember 1920:
„The men, too, at Feste Franz have shown a most generous and charitable spirit in giving at the Christmas season. They were way up near the top in the annual Red Cross roll-call and in the Amaroc News drive for funds for the German kiddies, they ranked third in the amount contributed. It is illuminating instances like these, coming sometimes from the most unexpected sources and revealing a beauty of character hitherto unimagined, that scatter the general gloom on bad days and makes our work seem worth while.“(2)
Eine öffentliche Bescherung des „Y“ für die Koblenzer Kinder fand während der amerikanischen Besatzung alljährlich auf dem Clemensplatz statt. Am 25. Dezember 1920 notierte der kommandierende General Allen in seinem Tagebuch:
„Der Regen, der gestern den ganzen Tag über anhielt, beeinträchtigte stark die Verteilung der Geschenke unter den Weihnachtsbäumen, die die Soldaten für die Kinder unserer Zone geschmückt hatten. Soweit Geschenke und Christbäume in Betracht kommen, war es heute ein schönes Weihnachtsfest.“(3)
Doch nicht nur im amerikanischen Hauptquartier gab es Geschenke für die deutschen Kinder, auch in anderen Orten in der zweiten Besatzungszone wurde für eine Bescherung gesorgt. General Allen notiere am 22. Dezember 1921:
„Heute nachmittag ging ich zum Heim des „Christlichen Vereins junger Männer“ bei Weißenthurm hinaus, um die Verteilung der Weihnachtsgeschenke anzusehen, die für fünfhundert der ärmsten Kinder der Stadt von den Luftstreitkräften gestiftet worden waren. Es war ein schöner und rührender Vorgang. Jeder Soldat schenkte zweihundert Mark, von denen praktische Geschenke, wie sie unter den Weihnachtsbäumen üblich sind, gekauft und jedem Kinde überreicht wurden.„(4)
Matthias Kellermann
Anmerkungen
(1) The Amaroc News Vol. 1, No. 261, 7.01.1920, S. 3.
(2) The army on the Rhine. The navy and the merchant marine in Europe, Nr. 18, The International Committee of Young Men’s Christian Associations, 1921, S. 25. Übersetzung mit DeepL: „Auch die Männer der Feste Franz haben in der Weihnachtszeit einen äußerst großzügigen und wohltätigen Geist gezeigt. Beim jährlichen Spendenaufruf des Roten Kreuzes waren sie ganz vorne mit dabei, und bei der Spendenaktion der Amaroc News für die deutschen Kinder belegten sie den dritten Platz. Es sind erhellende Beispiele wie diese, die manchmal aus den unerwartetsten Quellen kommen und eine bisher ungeahnte Schönheit des Charakters offenbaren, die an schlechten Tagen die allgemeine Trübsal vertreiben und unsere Arbeit lohnenswert erscheinen lassen.“
(3) Henry T. Allen: Mein Rheinland-Tagebuch, 2. Auflage, Berlin 1923, S. 113.
(4) Ebd., S. 186f.
Abbildungen
Abb. 1: The Amaroc News Vol. 1, No. 261, 7.01.1920, S. 3
Abb. 2: Ike Skelton Combined Arms Research Library Digital Library, Fotoalbum, Zusammenstellung möglicherweise von Hans Bellinghausen, Foto vermutlich Lindstedt & Zimmermann, Koblenz